Das Lügengespinst über die europäische Einigung und die „hehren“ Motive der „Gründerväter“

Artikel von Herbert Ludwig mit freundlicher Genehmigung des Autors

(im Original auf https://fassadenkratzer.wordpress.com/2019/10/29/das-luegengespinst-ueber-die-europaeische-einigung-und-die-hehren-motive-der-gruendervaeter/)

über die Rezension des Buches von Philippe de Villiers "J'ai tiré sur le fil du mensonge et tout est venu" Paris Fayard, 2019 (zu deutsch: "Ich habe an einem Faden des Lügengespinstes gezogen, und es ist alles ans Licht gekommen" - das Buch gibt es noch nicht in deutscher Übersetzung.)

 

 

Die offizielle Version der Entstehungsgeschichte der europäischen Einigung, die bis zur heutigen Europäischen Union geführt hat, malt ein ideales Bild der „großen Gründungsväter“ und ihrer „edlen“ Motive und Ziele zu einer demokratischen Gemeinschaft, in der nach zwei fürchterlichen Weltkriegen die kriegstreibenden Nationalismen überwunden und Frieden, Freiheit und Wohlstand garantiert werde. – Doch das ist ein sorgfältig gepflegter Mythos, ein Lügengespinst, wie jetzt der Franzose Philippe de Villiers nach gründlichen historischen Forschungen in seinem neuen Buch aufdeckt.1

 

In der Schweizer Zeitung Zeit-Fragen2 ist eine Rezension von Rita Müller-Hill erschienen, die Stellen des Buches referiert oder von ihr übersetzte Sätze zitiert. Auf den ersten Seiten seines Buches erzähle der Autor, wie er dazu gekommen ist, sich mit der Geschichte der EU zu beschäftigen, und wie der Titel seines Buches zustande kam. Philippe de Villiers (70 J.) war selbst vierzehn Jahre Mitglied der französischen Nationalversammlung, zehn Jahre im Europäischen Parlament und ehemaliger Präsidentschaftskandidat, also ein erfahrener Mann in den Arenen und Hinterstuben der Politik.

 

Er berichtet auf Seite 19 von einer Unterhaltung mit dem langjährigen (1958–1968) französischen Außenminister Maurice Couve de Murville, der dieses Amt schon während der Präsidentschaft Charles de Gaulles innehatte. Im Laufe dieser Unterhaltung habe sich Couve de Murville über den Marshallplan, dessen Akzeptanz er als Unterwerfung bezeichnete, über Walter Hallstein und den europäischen Einigungsprozess ge­äußert: ´Ah l’Europe! L’Europe des pères fondateurs! […] Il vous suffira de tirer sur le fil et tout viendra` – ´Mais quel fil?` – ´Sur le fil du mensonge.` [´Ach Europa! Das Europa der Gründerväter! Es genügt, wenn Sie an einem Faden ziehen, dann kommt alles.` – ´Aber an welchem Faden?` – ´Am Faden des Lügengespinstes.`“

 

Diese für ihn zunächst rätselhafte Andeutung habe ihm später ein Professor der Sorbonne näher erklärt: „Couve de Murville hat das erste Stottern des europäischen Projektes miterlebt. Er wusste alles über alle, über die Trugbilder und die Hintergedanken, die ganze Verwickeltheit, das Getue, den faulen Zauber. Am Faden ziehen sollte in seinem Sinne sicher heißen: an die Quelle gehen. An die Quelle der Informationen, die in den Archiven schlummern. […] Sie sind nicht mehr geheim, sie sind nach und nach geöffnet worden, zugänglich gemacht worden“.

Als de Villiers vermutete, dass nun viele Forscher in die Archive stürzen, habe ihn der Professor enttäuschen müssen. Es seien nur sehr wenige. Die meisten hielten sich aus Vorsicht zurück. „
Man könne seinen Lehrstuhl, seinen Lehrauftrag, seinen Job, seinen Verleger verlieren.“ – Die Sache sei mehr als ein Tabu, „es geht um einen Mythos, eine Ideologie, ein Glaubenswerk. Alles, was diese ´Gründerväter` betrifft, liegt im Bereich des ´Heiligen, Unberührbaren.»“ – „Eine offizielle Wahrheit, also.“

 

Forschung in freigegebenen Archiven

 

Dieses Gespräch war eine Initialzündung für Philippe de Villiers. Er „stellt vier Arbeitsgruppen zusammen, die er seine „Brigaden“ nennt, und schickt sie auf die Quellensuche. Im Buch dokumentiert er mit 28 Faksimilekopien auf 111 Seiten die Richtigkeit seiner Aussagen. Und Philippe de Villiers spricht aus, was nicht ans Licht der Öffentlichkeit kommen sollte. Nur ein enger Kreis von Eingeweihten wusste, wie die Dinge wirklich waren.“


Er fand Dokumente, die eindeutig beweisen, dass Jean Monnet von der CIA für seine Aktivitäten als ´Gründervater Europas` bezahlt wurde, dass Robert Schuman eine zwielichtige Gestalt war, die zwischen den jeweiligen Machthabern hin und her wechselte und letztlich im Dienste der US-Amerikaner war. Und Walter Hallstein, NS-Ausbildungsoffizier und juristischer Spezialist der Nazis für ´Das Neue Europa`, stellte seine Dienste ebenfalls den Amerikanern zur Verfügung.“
Und Philippe de Villiers kommt auf S. 117 zu dem Schluss: Monnet wollte ein Europa aufbauen, das den amerikanischen Zielen entsprach – den institutionellen, kommerziellen und kulturellen.“

Damit bestätigt er die Erkenntnisse, die der deutsche Historiker Andreas Bracher bereits 2001 bekannt machte, dass Monnet zeit seines Lebens unter dem Einfluss führender britischer und amerikanischer Kreise stand. Er war ein Erfinder und Lenker von Institutionen einer übernationalen Zusammenarbeit“ und ein Zentrum (insbesondere) angelsächsischer Einflussnahme auf dem Kontinent“.4 

 

 

Jean Monnets „Memoiren“

 

Philippe de Villiers kommt dahinter, dass Monnets ´Memoiren` nicht von ihm selbst geschrieben, sondern im Auftrag Kennedys von einer Historikergruppe verfasst wurden, bezahlt von der Ford Foundation. Schon in seiner Studentenzeit hatte de Villiers als Gast das Gespräch zwischen seinem Professor für Politische Wissenschaften Jacques Chapsa und dem Professor für moderne Geschichte Jean-Baptiste Duroselle, Autor eines Grundlagenwerks über Internationale Beziehungen, mitanhören können, in dem er einen kurzen Einblick in die Entstehungsgeschichte der Memoiren Jean Monnets erhielt.


Chapsal fragt Duroselle´Und, was machen diese Memoiren? Geht es voran?`
Duroselle: ´Ja. Die Studenten arbeiten hart daran. Wir haben die Arbeit aufgeteilt.` 
Chapsal: ´Das ist ja sicher wichtig für die Stiftung und für ihr Renommee in den USA.`
Duroselle´Ja, aber noch viel wichtiger, lieber Jacques, ist es für die Vereinigung Europas. Sie braucht einen neuen Anstoß, neuen Elan.`

 

Philippe de Villiers kommt dies bei seinen Forschungen wieder in Erinnerung. In der von Eric Roussel verfassten Biographie Jean Monnets findet er Namen über Namen genannt, Menschen, mit denen Monnet in Kontakt war. Doch er fragt sich jetzt, wer diese Leute waren, welche Funktionen sie hatten, in welche Netzwerke sie eingebunden waren, welche Interessen sie verfolgten, in wessen Diensten sie standen und von wem sie bezahlt wurden.


Dem ging er nun nach, fand die Zahlungsbelege und kam zu dem Ergebnis: „
Die US-Amerikaner haben das Werk in Auftrag gegeben und bezahlt. (…) De Villiers beweist, dass die Ford Foundation als Geldgeber nicht einfach nur die Ford Foundation war, sondern einer der Geldverteiler der CIA. Wer hat die Memoiren verfasst? Duroselle als leitender Professor verteilte die Arbeit an eine Gruppe von Studenten. Pierre Gerbet, Eric Westphal, André Kaspi, Richard Mayne. ´Es funktionierte wie eine Maschine, die Nachforschung, Erzählung und Schreiben herstellt.´ Jean Monnet selbst interessierte sich kaum für das Werk. Geschrieben wurde es letztlich von François Fontaine, einem Romanautor, der im Römischen Reich die Vorankündigung einer vollendeten Europäischen Union sah.“ 5

 

Die Rezensentin Rita Müller von den Zeit-Fragen fügt an, sie hätten bei ihren eigenen Nachforschungen festgestellt, dass die oben genannten Autoren fester Bestandteil der ´Monnet-Forschung` sind. „Sie werden immer wieder zitiert – insbesondere zitieren sie sich gegenseitig –, wenn man sie konsultiert, wird man im Kreis herumgeschickt.“


Nur der letzte Abschnitt der Memoiren Jean Monnets stamme von ihm selbst. Aus ihm erschließe sich nach Philippe de Villiers das Geheimnis von Monnets Intentionen:
Die Europäische Gemeinschaft ist kein Ziel an sich. Wichtig ist, dass die alten Nationen von gestern mit ihrer jeweiligen Souveränität nicht mehr der Rahmen sein sollen, in dem die aktuellen Probleme gelöst werden. Die Gemeinschaft als solche ist nur eine Etappe auf dem Weg zu Organisationsformen der Welt von morgen. Da erhebt sich dann in der Sicht Philippe de Villiers die Welt-Governance, Globalia, die von allen Attributen wie Souveränität, Demokratie und verschiedenen Völkern ´befreit` ist. Der Traum vom planetarischen Management, die Beherrschung der Menschheit durch die Technik, durch einen allumfassenden Markt in einen dauerhaften Frieden gehüllt und eine (scheinbar) grenzenlose individuelle Freiheit garantierend. ´Weicher, aufgeklärter Despotismus`, sagte Jacques Delors zustimmend dazu.“

 

Interview im Figaro

 

Das Buch von Philippe de Villiers steht natürlich in Frankreich im Kreuzfeuer der Kritik. Am 26.3.2019 brachte Le Figaro ein Interview mit ihm, von Zeit-Fragen übersetzt6, in dem er sich nicht in die Defensive drängen ließ.


Auf die Frage, ob er ein solches Kreuzfeuer der Kritik erwartet habe, antwortete er:
Ja, natürlich. Seit Jahrzehnten bewegt sich die Union im Verborgenen. Sie ist ein Wesen des Abgrunds; was sie fürchtet, ist das Licht. Der plötzliche Lichtstrahl, der auf die Gründungslüge gerichtet wird, hat die kleine Welt der akkreditierten «Possenreißer» in Panik versetzt. Zu spät. Das Buch ist im Umlauf. Es findet reißenden Absatz.“


Denn es sei kein Buch mit Halbwahrheiten, das mit einer wissenden Handbewegung weggewischt werden könnte. Es ist ein Buch, das sich auf Untersuchungen stützt, mit 111 Seiten Beweismaterial, neu freigegebenen Archivdokumenten, die für sich sprechen. Der Gegenangriff der in Angst versetzten Vertreter der offiziellen Meinung, die versuchen, eine Schutzzone zu errichten, kommt an der störenden Wahrheit der Beweise nicht vorbei. Alles gerät ins Wanken.


Es wird offensichtlich, dass die ´Gründerväter` nicht dem geheiligten Bild der mythologischen Erzählung entsprachen. Es waren Menschen in der Hand der Amerikaner, geschwächt und abhängig. Was das Projekt des ursprünglichen Europas betrifft, so war es keineswegs das einer ´Europäischen Macht`. Die Amerikaner wollten einen zusätzlichen Markt mit einer Exekutivkommission, das heißt einer technischen, postpolitischen Autorität, von Funktionären geleitet und von der Kontrolle der Staaten unabhängig.

 

Auf die Frage, was er denen antworte, die ihn als „Verschwörer“ bezeichnen, kontert er:
Bei Verschwörungen geht es um Theorien, Gerüchte, Fantasien. Bei mir geht es um das Gegenteil: Ich veröffentliche Dokumente. Mein Buch ist sogar die Antwort auf die echte Verschwörung. Ich habe herausgefunden, dass Monnet, um dem Einfluss des Quai d’Orsay [französisches Außenministerium] zu entkommen, sein Team ein ´Kommando von Verschwörern` nannte. Die ´europäische Konstruktion` hat sich schon immer mit Geheimhaltung umgeben. Undurchsichtigkeit war die Regel. Die ´Monnet-Methode` ist verschwörerisch, gegen die Völker gerichtet. Er verheimlicht es nicht. Diese Konstruktion ist in Wirklichkeit ein Serienmord an den Demokratien Europas.“

 

Dem Einwand, einige Historiker behaupteten, dass schon lange bekannt sei, Monnet habe den Amerikanern nahegestanden, begegnete de Villiers mit der Vorhaltung, man habe aber vergeblich darauf gewartet, von ihnen zu erfahren, dass diese Nähe eine Kompromittierung darstelle: „Dieser Präsident des ´Komitees für die Vereinigten Staaten von Europa` erhielt geheime Zahlungen über die ´Ford Foundation´, aus CIA-Kreisen und über ein Konto bei der Chase Manhattan Bank. Viele Biographen wiederholen Monnets Worte, der behauptete, er habe ´jegliche staatliche Subventionen ausgeschlossen`. Ich beweise jedoch, dass dies eine Lüge ist, indem ich alle Dokumente veröffentliche, die die geheimen Überweisungen von stolzen Summen belegen und die Beeinflussungsoperationen, die die Gegenleistung darstellten. Es gibt auch andere Dokumente, die zeigen, dass Monnet ein Agent des Außenministeriums war. Diese Historiker haben einige Unterlassungen begangen!“

 

Wenn es Leute gebe, die behaupten, schon alles zu wissen, was in dem Buch steht, entstünde doch die Frage, warum sie es dann nicht gesagt haben. Er habe vorher nicht gewusst, dass Schuman den Ersten Weltkrieg in deutscher Uniform, den Zweiten in Klöstern verbracht habe, nachdem er unter Pétain7 einen Ministerposten bekleidet und für eine umfassende Vollmacht gestimmt hatte. Ihm sei nicht bekannt gewesen, dass der Architekt des Vertrags von Rom und erste Präsident der Kommission [Walter Hallstein] ein nationalsozialistischer Jurist gewesen sei, damit beauftragt, den Rahmen für „Das Neue Europa“ festzulegen, bevor er ein hoher Offizier für nationalsozialistische Ausbildung geworden und dann von den Amerikanern umerzogen worden sei, um anschließend von ihnen für führende europäische Positionen vorgeschlagen zu werden.

 

Philippe de Villiers will in seinem Buch aufzeigen, „dass das heutige Europa, ohne Körper, ohne Kopf, ohne Wurzeln, ohne Grenzen, keine falsche Umsetzung darstellt. Die geöffneten Archive liefern den Beweis: Das dekonstruktive Gen, das die Europäische Union unterhöhlt, befand sich in der DNA der ´Gründerväter`. Das Programm war von Anfang an festgelegt. Sie wussten, was sie taten und was sie wollten: eine gehirnlose Governance, um sich auf einen globalen Massenmarkt zuzubewegen. Wir sind weit entfernt von einem unabhängigen Europa.“
Auf die Fangfrage, ob sein Buch ein Mittel sei, um sich für ´populistische Parteien` einzusetzen, antwortete er: 
Nein, ich gebe keine Anweisungen, ich schlage Alarm. Ich schlage und schlage (Alarm). Bevor der Muezzin kommt. Der Populismus ist der Schrei der Völker, die nicht sterben wollen.“
———————————-
1    Philippe de Villiers: J’ai tiré sur le fil du mensonge et tout est venu. Paris Fayard, 2019 (Deutsch: Ich habe an einem Faden des Lügengespinstes gezogen, und es ist alles ans Licht gekommen) Das Buch gibt es noch nicht in deutscher Übersetzung.
2    
zeit-fragen.ch 23. April 2019
3    a.a.O.
4    Siehe näher: 
Hintergründe der „europäischen Integrationsbewegung“, worin auch das Wirken Graf Coudenhove-Kalergis geschildert wird.
5    Anm. 2
6    
zeit-fragen.ch 23. April 2019
7   Philippe Pétain, mit nahezu absoluten Vollmachten regierender Staatschef des „Vichy Regimes“ des von den Deutschen nicht besetzten Südfrankreich, der mit den Deutschen kollaborierte.

 


Die Europäische Union – von Anfang an Instrument der US-Geostrategie

2. Teil der Rezension von Herbert Ludwig über das nur im Französischen erschiene Buch

von Philippe de Villiers "J'ai tiré sur le fil du mensonge et tour est venu". 

https://fassadenkratzer.wordpress.com/2019/11/04/die-europaeische-union-von-anfang-an-instrument-der-us-geostrategie/

 

 

Die Europäische Gemeinschaft oder Union ist nicht geschaffen, um den Interessen der europäischen Völker zu dienen, sondern diese mit ihrer jeweiligen Souveränität in einer bürokratischen Organisation verschwinden zu lassen – einer wurzellosen übernationalen Staatsform, die nur eine Etappe auf dem Wege zu einem US-gesteuerten planetarischen Management, einer „Welt-Governance“ darstellt. Zu diesem Ergebnis kommen die Archiv-Forschungen des französischen Politikers und Publizisten Philippe de Villiers in seinem neuen Buch.1

Bereits im vorangehenden Artikel sind wesentliche Inhalte des Buches dargestellt worden, die auf inzwischen zugänglich gemachten Archiv-Dokumenten von und über zentrale Gründergestalten der europäischen Einigung beruhen. Sie sollen hier noch durch weitere Details konkretisiert und ergänzt werden. Da es noch keine deutsche Ausgabe des Buches gibt, ist zu dem Le Figaro-Interview und der Rezension in der Schweizer Zeitung „Zeit-Fragen“, aus denen wir im vorigen Artikel zitiert haben, eine weitere Rezension mit anderen Schwerpunkten von Dr. Gerald Brei im September-Heft 2019 der Schweizer Monatsschrift „Der Europäer“ eine wichtige Quelle, auf die wir uns nachfolgend zusätzlich beziehen können.2

 

Der Aufstieg Jean Monnets (1888-1979)

Schon früh konnte, so referiert Gerald Brei aus einem Kapitel de Villiers`, Jean Monnet (Bild) Kontakte zu einflussreichen Personen gewinnen. Als Vertreter des väterlichen Weinbrandunternehmens aus Cognac schloss er 1911, 23-jährig, in London einen exklusiven Liefervertrag mit dem anglo-kanadischen Handelshaus Hudson´s Bay Company „und gewann bei dieser Gelegenheit einen ersten Mentor, Lord Kindersley, künftiger Direktor der Bank Lazard (und von 1914-1946 Direktor der Bank of England), der ihm als Gehilfen die Türen öffnet und wertvolle Kontakte in der Handelswelt verschafft. Monnet stieg jetzt in den großen Hotels ab und wurde bald ganz anglo-amerikanisch. In einem Brief an Raymond Aron hat er selbst bekannt, dass er eine doppelte Treuepflicht empfindet, gegenüber England und den USA.“

Im Herbst 1914 wurde ihm von der Hudsons´s Bay Company die Mission anvertraut, dem französischen Premierminister René Viviani die Idee näherzubringen, Logistik und Handelsflotte des Unternehmens für die Armee der Alliierten gegen die Mittelmächte zu nutzen. „Zufällig“ war der Anwalt des Familienunternehmens von Monnet, Maître Benon, zugleich auch der Anwalt des Regierungschefs Viviani. „So sind es freimaurerische Freundschaften, die es dem jungen Mann erlauben, vom Premierminister Viviani sofort selbst empfangen zu werden. In der Folge öffneten sich alle Türen des Grand Orient.“
Die geschäftliche Verbindung mit der Hudson`s Bay Company kam zustande, so dass Lord Kindersley seinem Protegé Monnet ausdrücklich gratulierte. Durch Monnets Vermittlung erhielt das Kanadische Handelshaus später sogar das Monopol für französische Einkäufe in Kanada.

Dies war aber offensichtlich nur der Anfang einer umfassenden Tätigkeit Monnets für die Alliierten während des Ersten Weltkrieges. Nach Wikipedia arbeitete Monnet in weiteren interalliierten Einrichtungen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Es handelte sich dabei um paritätisch besetzte internationale Organe: zuerst binational britisch-französisch, dann trinational auch mit Italien und zuletzt auch mit den USA als viertem Partner. In dieser immer enger und straffer werdenden Organisation erfolgte die Koordination der kriegswirtschaftlichen Güternachfrage und -logistik der westlichen Alliierten. 1917 war so ein komplexes kriegswirtschaftliches Nachfrage-Kartell mit dem Allied Shipping Control als Zentrum entstanden. Es ging dabei um eine umfassende Verwaltung des kriegsbedingten Mangels und um eine effektive Regulierung der entstandenen heftigen Beschaffungs-Konkurrenz zwischen den Verbündeten.“

Unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg knüpfte Jean Monnet in den USA, so referiert Gerald Brei aus de Villiers Buch weiter, ein weites persönliches Kontaktnetz, das er selbst „magischen Zirkel“ nannte. So lernte er 1919 in der US-Reparationskommission von Versailles den Rechtsanwalt und späteren Außenminister John Forster Dulles kennen und wurde eng mit ihm befreundet. Dieser verhalf ihm dann 1935 zur Gründung einer eigenen Bank mit seinem Freund George Murnane (Monnet, Murnane & Co., New York), in die er selbst investierte. Monnet befreundete sich auch mit dem einflussreichen Wallstreet-Banker Averell Harriman und wurde zusätzlich bei der Investmentfirma Blair & Co. (der späteren Bank of Amerika) aktiv, wo er mit dem Rechtsanwalt John McCloy einen weiteren engen Freund mit zahlreichen Verbindungen gewann.

Dieser wurde später Präsident der Weltbank, Hochkommissar in Deutschland, Präsident der Chase Manhatten Bank, danach Präsident der Fordstiftung. Er wird auch Verwalter bei der Rockefeller-Stiftung und von 1954 bis 1970 sogar Präsident des Council on Foreign Relations (von wo aus die US-Außenpolitik bestimmt wird, hl). 1941 bis 1945 war John McCloy Unterstaatssekretär im Kriegsministerium und einer der beiden politischen Berater des US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt, die Jean Monnet direkt führten.
Der andere war Harry Hopkins, die graue Eminenz und einer der für den ´New Deal` verantwortlichen Theoretiker. Von diesem Hopkins druckt de Villiers einen Brief vom Februar 1943 an Monnet ab, der im Befehlston an einen Untergebenen abgefasst ist und Monnet auf eine geheime Mission nach Algier schickt, um der Politik der USA in Nordafrika zum Erfolg zu verhelfen.“ 3

 

Die Vereinigten Staaten in Europa

Nach dieser gründlichen Vorbereitung war Monnet nach Ende des Krieges der geeignete Mann, die US-amerikanische Vision für die künftige Gestaltung Europas durchzusetzen. Im April 1948 gründeten die Amerikaner in New York das „American Committee for a United Europe“, das die bereits 1947 von Winston Churchill angestoßene „Europäische Bewegung“ strategisch und finanziell jahrzehntelang unterstützte. Wichtige führende Mitglieder wurden drei erstrangige Geheimdienstler, die alle Direktoren des CIA waren oder wurden: General William („Will Bill“) Donovan, Walter Bedell Smith und Allen Dulles, der Bruder von John Forster Dulles.
Eine genauere Beschreibung dieses Committees und seines Wirkens im Zusammenhang mit Graf Coudenhove-Kalergi findet sich mit weiteren Ergänzungen zum Thema in: 
Hintergründe der europäischen Integrationsbewegung.  

Von Monnet gingen nun die entscheidende Initiativen zur europäischen Einigung aus. Von ihm stammte der Plan zur Schaffung einer übernationalen Behörde, die die Stahlindustrien Westeuropas, also auch Deutschlands verwalten und kontrollieren sollte. Der Plan wurde 1950 als Schumann-Plan bekannt, stammte aber von Monnet. Das neue Gebilde, die „Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl“, war der entscheidende Keim der heutigen Europäischen Union, der von vornherein als voller Staat angelegt wurde: mit einer Exekutivbehörde, einem Parlament und einem Gerichtshof. Von 1953 bis 1955 war Monnet der erste Präsident.

1955 gründet er, teilweise vom CIA finanziert, das „Aktionskomitee für die Vereinigten Staaten von Europa“, „in dem er“, wie der Historiker Andreas Bracher schreibt, „Vertreter der wichtigsten Parteien, Gewerkschaften und Unternehmerverbände der Mitgliedstaaten zusammenbringt. (…) Das ´Aktionskomitee` blieb der Öffentlichkeit zwar weitgehend verborgen, war aber bis zu seiner Auflösung 1975 das wohl wichtigste Zentrum, von dem aus jenes Unternehmen vorangetrieben wurde, dem sich Monnet verschrieben hatte: der europäische Einheitsstaat.“ 4 
Interessant ist, worauf Gerald Brei hinweist, dass Monnet dieses „Aktionskomitee“ 1955 gründete, nachdem er 1954 bei der Gründungskonferenz der Bilderberger dabei gewesen war.

Aus Deutschland waren z.B. Mitglieder des Monnet-Komitees: Kurt Birrenbach, Hans Furler, Kurt Georg Kiesinger, Heinrich von Brentano (alle CDU); Erich Ollenhauer, Willy Brandt, Helmut Schmidt, Walter Freitag (alle SPD) und der Deutsche Gewerkschaftsbund (Wikipedia). Helmut Schmidt war voll des Lobes über Monnets Weitblick und Detailkenntnis und sprach mit Bewunderung und Verehrung von ihm. Eine rührende Gutgläubigkeit und zugleich erschreckende Realitätsblindheit.

De Villiers betont“, hebt Gerald Brei hervor, „dass die Lüge für die EU konstitutiv  und nicht nur peripher ist. Das angestrebte Ziel, das globalistische Projekt, sei niemals genannt worden, sondern wurde sorgfältig versteckt und mit schön klingenden Phrasen überdeckt.“
Rita Müller-Hill zitiert de Villiers mit den Worten:
«Was in diesem grundlegenden Chaos auffällt, ist die Geheimhaltung bei der Abfassung der Texte; die Protagonisten schreiben sich außerhalb des Rahmens der Institutionen; Schuman gestand später: ´Es war Jean Monnet, der mit seinen Mitarbeitern in einem kleinen Hotel in der Rue de Martignac, in wenigen Monaten ohne das Wissen der Öffentlichkeit oder gar der Regierung, die Idee der Gemeinschaft für Kohle und Stahl entworfen hat.`“ 5
Und schon bei dieser Gründung habe Monnet bekannt: „Unsere Gemeinschaft ist keine Vereinigung der Hersteller von Kohle und Stahl, sie ist in Wirklichkeit der Anfang von Europa, das die Vorwegnahme einer weltweiten Vereinigung ist.6
Das bedeutet, dass die EU die Vorstufe zu einem US-gesteuerten planetarischen Management, einer „Welt-Governance“ darstellt, was Churchill schon 1947 in London ankündigte.7

 

Das Recht im Dienste von Wirtschaft und Politik

Gerald Brei hebt hervor, dass de Villiers eindringlich schildere, wie die sogenannten vier Grundfreiheiten der EU zur Schaffung des Binnenmarktes: freier Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital, das Recht in den Dienst der Nützlichkeit stellen. Alles werde dem Ziel des Binnenmarktes untergeordnet. Sämtliche Grenzen werden aufgelöst, seien es Staatsgrenzen oder Unterschiede in den Rechts- und Sozialsystemen. Selbst die einzelnen Rechtsordnungen konkurrieren auf dem Markt der Gesetze und können frei gewählt werden. Nicht einmal die Menschenwürde hat absoluten Stellenwert, sondern muss nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der EU mit den Erfordernissen hinsichtlich der durch den Vertrag geschützten Rechte in Einklang gebracht werden und unterliegt dem Verhältnismäßigkeitsprinzip.“

Hier ist das Recht aus seiner Verwurzelung in der allgemeinen Moral, den ethisch-sittlichen Auffassungen der Menschen, herausgelöst. Das Recht ist aber seinem Wesen nach Teil des moralischen Lebens und zwar der Teil, der wegen seiner besonders gravierenden Wirkung auf das gesellschaftliche Leben aus der Freiheit des Handelns herausgenommen und allgemein verbindlich gemacht wird. Das wirkliche Recht ist daher im Rechtsgefühl der Menschen verankert, das ein Gefühl der Gerechtigkeit, d. h. der Moralität ist. Wird das Recht den pragmatischen politischen Zielen und wirtschaftlichen Interessen der Unternehmen (d.h. der Kapitaleigentümer) unterworfen, verliert es den Zusammenhang mit der Moral, so dass Recht und Gerechtigkeit auseinandertriften. Damit haben wir es in der EU in weitestem Umfange zu tun.

So ist es folgerichtig, dass „weder die Richter (des EuGH) noch die Europäische Kommission (welche die Gesetzesinitiative hat) demokratisch legitimiert (sind) und nicht zur Rechenschaft gezogen werden (können). Das ist von Anfang an so geplant gewesen. Die Herrschaft der elitären Technokraten unterliegt keiner Kontrolle, weil es keine Gewaltenteilung gibt. Das traditionelle Verständnis von Macht (im Gleichgewicht gehalten durch andere Kräfte und verbunden mit politischer Verantwortung) sei immer mehr durch den diffusen Begriff des Regierens auf mehreren Ebenen ersetzt worden. De Villiers hält das für symptomatisch, weil das System auf diese Weise ohne starke bürgerliche Persönlichkeiten funktioniert. Die Akteure der „governance“ würden entkörperlicht und man könne an die Spitze der EU-Kommission einen x-beliebigen Trunkenbold setzen. Das hätte keine Bedeutung mehr.“

Die Institutionen entwickeln ein Eigenleben, das sich immer mehr den Einflüssen der Menschen entzieht. Der Historiker Andreas Bracher weist darauf hin, dass dies die Handschrift Jean Monnets sei, der die Macht der Institutionen von Anfang an veranlagt habe, um sie über den Tod der Persönlichkeiten hinweg dauerhaft zu machen. Monnet habe einmal ausgeführt: „Jeder Mensch beginnt die Welt von vorne. Nur Institutionen werden weiser; sie speichern die kollektive Erfahrung; und von dieser Erfahrung und Weisheit her werden die Menschen, die denselben Gesetzen unterworfen sind, schrittweise feststellen, nicht, dass sich ihre Natur, aber dass sich ihr Verhalten ändert.“
Darin komme ein prinzipieller Misstrauen gegen das menschliche Individuum zugunsten der Institutionen als der eigentlich weltgeschichtlichen Individualitäten zum Ausdruck. Institutionen sind, wie ich schon gesagt habe, wichtiger als Menschen“, heiße es in Monnets Erinnerungen.8

 

Ein- und Ausblicke

Von Anfang an“, resümiert Gerald Brei, „ging es um die Auflösung der historisch gewachsenen Nationalstaaten, um die Übertragung ihrer Souveränität auf ein supranationales Gebilde (eine Institution, hl). (…) Die Protagonisten hätten zwar von einer Stärkung Europas gesprochen, der Bildung einer europäischen Supernation, doch sei es tatsächlich und im Geheimen um eine Enthauptung Europas gegangen, reduziert auf einen Vasallenstatus, entfremdet, unterworfen und machtlos. Nach de Villiers haben die „Gründerväter“ gut gearbeitet. Die „Vereinigten Staaten von Europa“ seien die Vereinigten Staaten in Europa. Die Europäische Bewegung hatte nach dem Ergebnis seiner Recherchen nicht Europäisches. Sie war von den US-Amerikanern vollständig infiltriert und gesteuert.“ (Gerald Brei)

Und Rita Müller-Hill zitiert dazu de Villiers passend: Diese Governance arbeitet seit dreissig Jahren daran, nicht etwa ‹Europa aufzubauen› – das heisst, die historische Kontinuität einer Zivilisation zu sichern –, sondern im Gegenteil, alles zu dekonstruieren, um seine emotionalen Gemeinschaften zu untergraben und ihre grundlegenden Grenzen und Orientierungspunkte zu vernichten. Es geht nicht darum, eine ‹Europazität› aufzubauen, sondern eine ‹Globalität›, einen geschichts- und formlosen weiten Spielplatz, der von austauschbaren Menschen bevölkert ist.“ 9

Hier spielt de Villiers auf die von den Globalisten auch in der EU betriebene Massenzuwanderung aus kulturfremden Ländern an, durch die die Völker – nach dem Verlust ihrer Souveränität in der EU-Institution –  auch ihre kulturelle Identität und die Menschen ihre Orientierung verlieren sollen.
In dem Interview mit 
Le Figaro antwortet er auf die Frage, was er nun mit seinem Buch aufzeigen wolle:
Dass das heutige Europa, ohne Körper, ohne Kopf, ohne Wurzeln, ohne Grenzen, keine falsche Umsetzung darstellt. Die geöffneten Archive liefern den Beweis: Das dekonstruktive Gen, das die Europäische Union unterhöhlt, befand sich in der DNA der «Gründerväter». Das Programm war von Anfang an festgelegt. Sie wussten, was sie taten und was sie wollten: eine gehirnlose Governance, um sich auf einen globalen Massenmarkt zuzubewegen. Wir sind weit entfernt von einem unabhängigen Europa.
Die beiden von Anfang an vorhandenen aktiven Prinzipien, die Personenfreizügigkeit und die Nichtdiskriminierung, haben wie Radiumstufen gewirkt, die die beiden vor uns liegenden grundlegenden Zivilisationsveränderungen hervorgebracht haben, das Soros-Europa und den Marrakes
ch-Pakt (UN-Migrationspakt): Das erste Prinzip – die Personenfreizügigkeit – war die Vorstufe zur Abschaffung der physischen Landesgrenzen, die den austauschbaren, multi-unkultivierten Menschen hervorbringt. Und das zweite, die Nichtdiskriminierung, hat das Ende der anthropologischen Grenze vorbereitet, welche einen «Sandmann» hervorbringt, ohne Humus und ohne Nachkommenschaft.“

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1   Philippe de Villiers: J’ai tiré sur le fil du mensonge et tout est venu. Paris Fayard, 2019 (Deutsch: Ich habe an einem Faden des Lügengespinstes gezogen, und es ist alles ans Licht gekommen) Das Buch gibt es noch nicht in deutscher Übersetzung.
2   Gerald Brei in 
Der Europäer Nr. 23 September 2019
3   a.a.O.
4   Andreas Bracher: Europa im Amerikanischen Weltsystem, Basel 2001, S. 84
5   
zeit-fragen.ch
6   Zitiert nach Gerald Brei Anm. 2
7   zitiert in: 
Die EU als Vorstufe zu einer Weltregierung
8   Anm. 4, S. 91
9   Zitiert nach Anm. 5

 

Siehe auch: Die EU als Vorstufe zu einer Weltregierung



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